Drogenpolitik

Standpunkte des Kollektiv Roter Sternenfunke

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

Drogen und Partys – das gehört einfach zusammen. Manche würden sagen, das gehört leider zusammen. Andere freuen sich deshalb schon montags aufs Wochenende.

Was wir falsch finden, ist das Verschweigen und Tabuisieren des Themas in der Öffentlichkeit. Deshalb haben wir uns als Kollektiv zusammengesetzt und diskutiert. Herausgekommen ist dieses Flugblatt, mit dem wir einen Beitrag zur kontrovers und häufig populistisch und unsachlich geführten Drogendiskussion liefern wollen.
Unser Anliegen ist dabei das Vertreten eines progressiv linken Standpunktes, die Enttabuisierung des Themas und damit die Förderung von Gesundheit, Selbstbestimmung und Freiheit – nicht nur, aber natürlich auch auf unseren Partys.

Wir wünschen dir viel Spaß beim Lesen und freuen uns auf Feedback und kontroverse Diskussionen.

Dein Kollektiv Roter Sternenfunke

Standpunkte zur Drogenpolitik

Über die Definition von „Drogen“ streitet sich auch die Wissenschaft. Wir definieren in unserem Text als „Droge“ jede stoffliche Substanz, die das Bewusstsein verändert. Drogen sind zum Beispiel alkoholhaltige Getränke, Cannabisprodukte, Ecstasy oder Kokain aber auch so alltägliche Konsumprodukte, wie Kaffee oder Aspirin. Einige Drogen sind legal und frei verkäuflich, andere wurden illegalisiert und Konsument_innen wie Verkäufer_innen werden polizeilich verfolgt.

[singlepic id=54 w=320 h=240 float=left]Man kann Drogen aus den unterschiedlichsten Gründen konsumieren. Koffein, Amphetamin und Kokain zum wach und fit werden, Cannabis, Ketamin und Heroin zum Entspannen, Alkohol und Ecstasy zum Benebeln und LSD oder Pilze, um seiner Wahrnehmung einen Streich zu spielen. Auch psychosoziale Aspekte spielen eine große Rolle. Gerade das Konsumieren „um irgendwie besser drauf zu sein“ sollte kritisch gesehen werden und eines dürfen wir nie vergessen: Jede Droge birgt grundsätzlich die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit – ein Zustand, der nach Möglichkeit vermieden werden sollte.

Oft sind auf bestimmten Veranstaltungen nur spezielle Drogen akzeptiert. Konsum ist also auch eine kulturelle Frage. So ist bei den allermeisten gesellschaftlichen Anlässen Alkohol akzeptiert, während beispielsweise Konsument_innen von Cannabis, Ecstasy oder LSD ihre eigenen Subkulturen außerhalb der Mehrheitsgesellschaft bilden müssen.
Wie verlogen der Umgang mit Drogen ist, zeigt sich in den höchsten Kreisen der Gesellschaft, wo Kokain weit verbreitet und toleriert ist, solange darüber nicht öffentlich gesprochen wird. Man denke dabei nur an den Fund von Kokainspuren auf den Toiletten des Bundestags. Die Droge passt eben gut zu den herrschenden Umgangsformen. Prohibition und Ideologie verhindern jedoch den offenen Umgang damit.

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Staatliche Verbotspolitik…

Eine Mischung aus neoliberaler und konservativer Ideologie, dazu Halbwissen und Horrorgeschichten, bestimmen die offizielle Drogenpolitik in Deutschland. Der gesunde, stets arbeits- und leistungsfähige Mensch, gilt als ideal. Gleichzeitig werden Bier, Wein und Schnaps als Teil einer deutschen Leitkultur verherrlicht und mit entsprechenden Veranstaltungen zelebriert – vom Karneval bis zum Oktoberfest. Da ist es nur folgerichtig, dass aufputschende Medikamente, beispielsweise zur Unterdrückung von Erkältungskrankheiten, ihre Nischen bei den akzeptierten Drogen finden. Klar auch, dass diese wie Alkohol nicht als Drogen bezeichnet werden und ungern darüber gesprochen wird.

Wenn über Drogen geredet wird, dann sind das oft Geschichten über kranke Menschen, deren Leben von Problemen bestimmt ist. Dass viele dieser Probleme erst durch die Illegalisierung verursacht werden, ist wenig bekannt. Verunreinigter und gestreckter Stoff schadet der Gesundheit, der Schwarzmarkt verlangt überteuerte Preise und durch die gesellschaftliche Ausgrenzung, die Konsument_innen erfahren, geht ihnen auch sozialer Halt verloren.

Ohnehin ist die Kriminalisierung das größte Problem von Drogenkonsu­ment_innen, auch von solchen, die eigentlich keine Probleme haben müssten. Repression wird gegen alle ausgeübt, nicht nur auf die organisierte Drogenmafia. Wer seinem Kumpel etwas Gras mitbringt, ist gleich ein Dealer und kann empfindlich bestraft werden. Konsument_innen werden oft über die Hebel Führerschein oder Arbeitgeber bestraft – selbst wenn sie im Auto oder auf der Arbeit nüchtern waren und sich der Konsum woanders abspielte.

Staatliche Verbote führen sogar soweit, dass bestimmte Hilfsangebote nicht möglich sind. Dabei wären sie so wichtig: saubere und sichere Konsumräume oder das chemische Prüfen von Substanzen auf gefährliche Giftstoffe („Drug-Checking“), um nur einige zu nennen. Andere Länder sind da weiter. In Deutschland ist ein konservativer Rückschritt zu beobachten. Selbst die Grünen, die sich einst eine progressive Drogenpolitik auf die Fahne geschrieben hatten, wollen heute davon nichts mehr wissen.

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… und linke Antworten

Das staatliche Drogenchaos mit all seinen verlogenen Widersprüchen, scheinheiligen Argumenten und ideologischen Verblendungen kann für uns kein Maßstab sein. Wir sagen „Deutschland, halt’s Maul!“ und orientieren uns an linken Ideen und humanistischen Werten. Staatliche Bevormundung, kulturelle und gesellschaftliche Zwänge lehnen wir ab.

Als politische Forderung vertreten wir folgerichtig die Position: Für die Legalisierung ausnahmslos aller Drogen! Wir sind der Meinung, dass jede und jeder konsumieren sollte, was sie oder er möchte. Wir wollen uns nicht in die individuellen Vorlieben und Bedürfnisse der Menschen einmischen. Wir mischen uns dann ein, wenn Drogenkonsum mit einem Verhalten einhergeht, das andere belästigt, diskriminiert, sie gefährdet oder ihnen schadet. Somit orientieren wir uns an dem Gedanken „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt.“ (Kant)

Konkret bedeutet das, wir mischen uns ein, wenn betrunkene Sexisten Frauen anbaggern, wenn zugekokste Machos Streit suchen oder wenn jemand dicht ins Auto steigen will. Solange jedoch ein Mensch keinem anderen Schaden zufügt, sehen wir keinen Anlass, ihn zu bevormunden und ihm irgendwelche Dinge zu verbieten. Auch das Recht auf Selbstverletzung und Selbstzerstörung sehen wir als Teil der persönlichen Freiheit, was nicht bedeutet, dass wir Leute im Stich lassen, die um Hilfe rufen.

Erst die Legalisierung von Drogen und die Akzeptanz des freiwilligen Konsums ermöglicht es Präventions- und Hilfsangeboten, gezielt bei den Menschen anzukommen. Bewusstes Handeln ist die beste Voraussetzung, Abhängigkeiten zu vermeiden. Selbstbestimmung muss dabei stets als Ziel formuliert werden.

Legalisierung würde ferner die unmenschlichen Zustände beenden, die der Schwarzmarkt verursacht. Zwar findet auch auf dem legalen Markt der kapitalistischen Gesellschaften Ausbeutung statt, durch die Legalisierung könnten sich Arbeiter_innen in der Drogenproduktion zumindest auf Arbeitsschutzgesetze berufen und Gewerkschaften gründen, was wesentliche Fortschritte, beispielsweise gegenüber den heutigen Zuständen in den Kokain produzierenden Ländern bedeuten würde. Dieses Thema ist allerdings zu komplex, als dass man es umfassend in diesem Text besprechen könnte.
Dass Anspruch und Wirklichkeit bei der Forderung nach Legalisierung und Freiheit durchaus auseinander gehen, wollen wir im nächsten Abschnitt erläutern. Denn „das Richtige“ im falschen Ganzen umzusetzen, ist alles andere als leicht.

Konsequenzen für unsere Partys

Als Party veranstaltendes Kollektiv haben wir den Anspruch, dass bei uns alle so feiern können, wie sie wollen – selbstbestimmt, ohne Ängste und Zwänge. Dazu gehört auch die freie Entscheidung, ob, und wenn ja, welche Drogen konsumiert werden. Und natürlich gehört dazu auch die Freiheit „Nein“ sagen zu dürfen, zu Alkohol, Koks, Ecstasy oder was immer einem angeboten wird. Wer nüchtern bleiben will, soll nüchtern bleiben!

Trotz allem sind wir in den Zwängen von Staat und Gesellschaft gefangen. Freie Entscheidung hin oder her – an der Bar können wir zwar Alkohol in rauen Mengen ausschenken, würden wir aber Gras oder Ecstasy verkaufen, dann wären unsere Partys schnell vorbei.

Wir wollen und werden keine Hilfssheriffs spielen und uns nicht in die Angelegenheiten der Leute einmischen. Dennoch dürfen wir aus Gründen des Selbstschutzes nicht alles tolerieren. Offener Konsum illegalisierter Drogen wird früher oder später die Polizei auf den Plan rufen. Wir bitten deshalb alle Gäste, sich so zu verhalten, dass unsere Partys keine Angriffsfläche für Repressionsbehörden bieten. Auch wenn wir uns Drug-Checking neben der Tanzfläche und saubere, sichere und gemütliche Konsumräume wünschen – so wie es das in anderen Ländern bereits gibt – hier sind uns leider die Hände gebunden.

Eine klare Position haben wir zum Thema Dealer_innen. Grundsätzlich wollen wir nicht, dass Personen auf unsere Partys Geschäfte machen und das betrifft jede Form von Business, also auch den Verkauf von Drogen. In manchen Clubs gibt es Absprachen zwischen Dealer_innen und Betreiber_innen mit Gewinnbeteiligung für das Schweigen der letzteren. Solche Deals sind uns fremd. Wenn Dealer_innen gezielt Leute ansprechen und unsere Partys als Plattform für ihre Geschäfte missbrauchen, werden wir intervenieren und sie hinaus bitten.

Eine weitere notwendige Maßnahme ist das Einmischen, wenn es drogenbedingte Vorfälle gibt, bei denen Menschen zu Schaden kommen oder es ihnen einfach nicht gut geht. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass ihr euch bei Problemen immer an uns wenden könnt. Sprecht am besten die Menschen an der Bar oder an der Kasse an. Wir haben fast immer Sanis auf unseren Partys, zumindest aber Leute, die wissen, was bei Fehl- oder Überdosierungen zu tun ist. Wir werden euch mit Wasser, Essen, Ruhe und zur Not dem Krankenwagen oder dem Notarzt weiterhelfen. Wir werden in solchen Situationen NIEMALS die Polizei rufen.

Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Broschüre arbeiten wir noch an Konzepten, um unsere Partys hinsichtlich Aufklärung und Gesundheitsschutz zu verbessern. Geplant sind Infotische zum Thema Drogen, die Bereitstellung von kostenlosem Wasser und safer-use Utensilien (z.B. Röhrchen) sowie das Einrichten ruhiger Chill-Out-Bereiche (was räumlich nicht immer einfach ist).

Weiter werden wir uns bei drogenbedingten (und nüchternen) Verhaltensweisen einmischen, wo Gäste belästigt, diskriminiert oder angegriffen werden. Leider mussten wir schon häufig die Erfahrung machen, dass meist betrunkene Männer übergriffig wurden, Frauen sexistisch anbaggerten und sich aggressiv verhielten. Auch hier gilt: sprecht die Menschen an der Theke und am Einlass an und mischt euch ein!

An dieser Stelle wollen wir anmerken, dass Drogen – welcher Art auch immer – alleine noch keinen schlechten Menschen machen. Verhaltensweisen sind immer Ergebnis sozialer Umstände und persönlicher Entscheidungen. Drogen können unterdrückte Verhaltensweisen jedoch auslösen oder verstärken. Ein Sexist wurde nicht erst durch die acht Bier zum Sexisten. Da muss schon einiges davor schief gelaufen sein. Trotzdem kann es sein, dass die Person nüchtern die Klappe hält und erst im betrunkenen Zustand frauenfeindliche Sprüche klopft. Alkoholverbot wird das Problem nicht lösen, kann aber kurzfristig helfen, die Symptome zu bekämpfen und zum Schutz der Anwesenden beizutragen. In der Regel bitten wir solche Leute zu gehen, denn sexistische Verhaltensweisen haben auf unseren Partys nichts zu suchen.

Wenn ihr Anregungen zu diesem Text habt, uns eure Ideen mitteilen oder Kritik loswerden wollt, dann nutzt unsere Kontaktmöglichkeiten oder sprecht uns einfach persönlich bei unseren Partys an. Und jetzt: Viel Spaß beim Feiern!